Filmprogramm
Mittwoch, 28.2.2024 ERÖFFNUNG
C’è ancora domani - Morgen ist auch noch ein Tag * Deutsche Premiere
von Paola Cortellesi
Italien, 2023, 118 Min., Spielfilm, OmdU
Ein Film wühlt Italien auf, befeuert die Diskussion um Feminizide nach dem Mord an einer Studentin durch den Ex-Partner: „C’è ancora domani“. Im amerikanisch besetzten Rom 1945 herrscht das Patriarchat ungebrochen in Familien, Gewalt gegen die Ehefrau ist üblich. Auch bei Delia, Gelegenheitsarbeiterin, Hausfrau und Mutter einer fünfküpfigen Familie samt jähzornigem Schwiegervater. Delia ist besorgt, ob der Tochter in der Ehe dasselbe Schicksal droht, diese hinterfragt, warum die Mutter den Gewaltta¨ter nicht verlüsst. Frauen zweier Generationen diskutieren heftig, am Ende siegt die solidarische Verbundenheit.
Der Schwarz-Weiß-Film im Stil des italienischen Neorealismus begeisterte Kritik und Publikum. Hauptdarstellerin Cortellesis Regiedebüt, vom Leben ihrer Groß- und Urgroßmutter inspiriert, setzt surreale Satire ein, um krasse Gewalt nicht explizit darzustellen. Differenziert fächert sie patriarchale Strukturen auf, wie die skandalöse ungleiche Bezahlung von Frauen oder ihr Ausschluss aus politischer Teilhabe; aber auch, wie unterdrückte Frauen schwanken zwischen Rechtfertigung und rebellischer Konspiration. 2023 meist gesehener Film Italiens!
3 Internationale Preise Rom Filmfestival
20:00 Uhr l Kino Museum
Donnerstag, 29.2.2024.
Femme Ocean
von Annika von Schütz
Sri Lanka / Portugal / Marokko / CH,
2022, 60 Min., Dokumentarfilm, OmeU
Frauen in Sri Lanka, Portugal und Marokko widmen sich ganz dem Surfen und stellen sich der unberechenbaren Wucht des Meeres. Eines ist offensichtlich: Es geht nicht um den Sport an sich, vielmehr um Empowerment. Unabhängig von Alter oder Herkunft bedeutet Surfen für sie Freiheit und Emanzipation von stereotypen Frauenbildern. Der Gleichklang mit der Natur und dem eigenen Körper gibt ihnen auch Energie, um mit Durchhaltevermögen und Leidenschaft für Gleichberechtigung zu kämpfen - in Sport und Gesellschaft, besonders in Ländern, wo dieser Sport für Mädchen und Frauen verpönt ist.
Surferin Devika, geboren in Sri Lanka und aufgewachsen in der Schweiz, unterstützt Mädchen und Frauen in ihrem Geburtsland beim Surfen. Sie hat ihren erfolgreichen Job als Grafikdesignerin in der Schweiz an den Nagel gehängt, um ein Frauenschutzhaus in Sri Lanka zu gründen – für gewaltbetroffene, sozial benachteiligte Frauen und Mädchen: „Sie sind vergewaltigt worden oder von ihren Familien verjagt, weil sie ausserehelich ein Kind bekommen haben.“ Die therapeutischen und Ausbildungsangebote sollen bald erweitert werden: mit dem Bau eines ganzen Schutz-Dorfes!
3 Internationale Filmpreise
18 Uhr l Kino Museum
Regisseurin anwesend
À plein temps – Julie - eine Frau gibt nicht auf
von Eric Gravel
Frankreich, 2021, 87 Min., Spielfilm, OmdU
Julie rennt. Eine Frau unter Strom. Dabei hat ihr Tag so friedlich begonnen, ihr Körper sich so völlig entspannt dem Schlaf hingegeben – bis der Wecker schrillt. Julie rackert sich alleine ab nach der Trennung von ihrem Mann, um ihre beiden Kinder auf dem Land großzuziehen und ihren stressigen Job in einem Pariser Luxushotel zu behalten. Ihr Mann ist schwer zu erreichen und mit der Zahlung der Alimente hinterher, jeden Augenblich droht am Bankautomaten ein „Karte abgelehnt“. Julie rennt, während sie versucht, Berufs- und Familienleben unter einen Hut zu bringen. Sie rennt, als sie endlich ein Vorstellungsgespräch für eine Stelle bekommt, die ihrem Universitätsabschluss entspricht, und ein Generalstreik den Verkehr lahmlegt.
Julies empfindliches Gleichgewicht gerät durch die geringste Variable ins Wanken – Ersatz zu bekommen, wenn sie für das Jobinterview fehlen wird, die Tagesmutter zu besänftigen, wenn sie sich verspätet, Einkäufe für eine Geburtstagsparty, und dann dieses nervenaufreibende Jobinterview! Sie stürzt sich in ein Wettrennen, bei dem sie Gefahr läuft, unterzugehen. Furios gespieltes und fotografiertes Drama mit syperbem Rhythmus eines spannungsgeladenen Soundtracks.
9 Internationale Filmpreise, darunter Venedig und César Awards
20:30 Uhr l Kino Museum
Freitag 1.3.2024
Smoke Sauna Sisterhood
von Anna Hints
Estland / Frankreich / Island, 2023, 89 Min., Dokumentarfilm,
OmdU
„Das Pariarchat ausschwitzen!“, diesen Anschein erweckt ein alter Brauch unter Frauen im Süden Estlands, von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt. In einer abgelegenen Holzhütte tief im verschneiten Wald treffen sich Frauen zum Saunieren. Mit den Hüllen fallen Tabus. Sanfte Stimmen flüstern bislang unausgesprochene Ängste und leidvolle Erkenntnisse in das schützende Dunkel der von Rauch und Dampf erfüllten Sauna. In dieser solidarischen Schwesternschaft, aufgefangen vom empatischen Zuhören ihrer Gefährtinnen, berichten die Frauen von ersten Liebschaften, Geburten und Abtreibungen, auch von traumatischen Erlebnissen wie sexuellen Übergriffen. Aber auch freche, übermütige Geschichten lassen die Hütte immer wieder von ihrem Lachen beben. Begleitet durch uralte Riten der Reinigung verwandelt sich die Sauna zu einem Ort weiblichen Empowerments.
Regisseurin Anna Hints kennt die Rauchsauna seit ihrer Kindheit und sieht sie wie eine Gebärmutter: es sei darin warm, dunkel und feucht, und man sei nackt, wie bei der Geburt. „Rauchsaunen waren jahrhundertelang die Orte, wo Frauen ihre Kinder zur Welt brachten und ihre Toten wuschen, und an denen sie Heilung fanden.“
6 Internationale Filmpreise, u.a. Bester Europäischer Dokumentarfilm, Sundance, 23 Nominierungen, Oscar-Nominierung 2024
18 Uhr l Kino Museum
Q & A per Video mit Regisseurin
Elaha
Von Milena Aboyan
Deutschland, 2023, 110 Min., Spielfilm, OmdU
Die 22-jährige Deutsch-Kurdin Elaha ist verlobt. Mit dem näher rückenden Hochzeitstermin sieht sie sich zunehmend Erwartungen ihres sozialen Umfelds ausgesetzt. Jeden Tag kämpft Elaha für etwas Autonomie innerhalb des engen Korsetts an patriarchalen Strukturen, das in ihrer Community besonders Frauen, aber auch Männern schonungslos aufgezwungen wird. Ihre bedingungslose Liebe zu ihrer Familie, besonders zum kleinen gehandicapten Bruder, den sie betreut, gibt ihr Stärke und macht sie zugleich verletzlich. Was bleibt ist ein unnachgiebiger Drang nach Selbstbestimmung, der sie zu einer folgenschweren Entscheidung führt.
Denn Ihre künftigen Schwiegereltern erwarten, dass sie als Jungfrau in die Ehe geht! Elaha sucht verzweifelt nach einer Lösung, wie sie den Jungfräulichkeitstest überstehen kann. Die jesidisch-kurdische Regisseurin Aboyan zu ihrem Debütfilm, der ausgezeichnet wurde für die vielschichtige Darstellung der Hauptfigur, ihrer körperlichen Lust und inneren Zerrissenheit: „Die Geschichte der Sexualität der Frauen ist eine Geschichte männlicher Deutungshoheit über den weiblichen Körper und ‚Elaha’ eine Geschichte über eine ungezähmte Frau, stellvertretend für viele Frauen.“
11 Internationale Filmpreise, darunter Prix Europa Award
20:30 Uhr l Kino Museum
Q & A per Video mit Regisseurin
Samstag 2.3.2024
Big Little Women
von Nadia Fares
Ägypten / Schweiz, 2022, 86 Min., Dokumentarfilm, OmdU
Drei Generationen von Frauen rebellieren gegen das Patriarchat. In ihrem filmischen Brief würdigt die schweizerisch-ägyptische Filmregisseurin Nadia Fares ihren Vater, wenn sie von 75 Jahren Frauenkampf in Ägypten, Land ihres Vaters, und in der Schweiz, Land ihrer Mutter, erzählt, wo sie aufgewachsen ist. Ihr Film begleitet auch junge engagierte Feministinnen im heutigen Ägypten, die im Gespräch mit der berühmten Frauenrechtlerin der ersten Stunde, Nawal El Saadawi, erforschen, wie sie ihr Vermächtnis weiterführen können.
„In der Form scheint mein Film ein Tribut an meinen Vater, aber in der Tat ehre ich den Mut dieser Frauen, die für gleiche Rechte im Osten wie im Westen kämpfen. Als meine Mutter einen ägyptischen, afrikanischen Mann heiratete, brach sie ein sehr starkes Tabu der 50-er, 60-er Jahre in der Schweiz. Sie musste für den Verstoß büßen: mein Großvater, der schweizerische Patriarch dieser Geschichte, ließ den ungewollten Schwiegersohn deportieren, und riss damit meine ganze Familie auseinander. In der Schweiz, in Ägypten kann ein Patriarch das Leben der Frauen seiner Familie zerstören. So zeige ich zwei Seiten – Spiegelbilder voneinander – des patriarchalen Systems.“
4 Internationale Filmpreise
16:00 Uhr l d.a.i.
Mina – Der Preis der Freiheit
von Hesam Yousefi
Deutschland/Iran, 2022, 70 Min., Dokumentarfilm, OmdU
Mina Ahadi, iranische Menschenrechtsaktivistin, die heute in Köln lebt, kämpft seit Jahrzehnten gegen Hinrichtungen und Steinigungen im Iran. Ihre zahlreichen Kampagnen haben die Weltöffentlichkeit auf die grausame Tötungspraxis aufmerksam gemacht und so viele Steinigungen verhindert.
Schmerzlicher Einschnitt in ihr Leben war die iranische Revolution 1979, die damit verbundene Einführung des Hijab-Zwangs, dann die Hinrichtung ihres Ehemannes. Mina beschließt, sich dem Kampf gegen die Todesstrafe zu widmen. Sie wird zur Zielscheibe des iranischen Regimes und flüchtet als Freiheitskämpferin für zehn Jahre in die kurdische Freizone. Später, in Europa, setzt sie sich weiter vehement gegen die Todesstrafe ein, aber auch für die Rechte von Frauen, Homosexuellen und Ex-Muslimen. Wegen ihrer Gründung des „Zentralrats der Ex-Muslime“ ist sie immer wieder Morddrohungen ausgesetzt.
Bewegende Einblicke in ihr stürmisches Leben, die Geschichte der islamischen Republik Iran, aber auch die heilende Wirkung ihres Familienlebens, ihres Enkels: „Wenn ich dieses kleine Wesen umarme habe ich das Gefühl, dass die Welt eine menschlichere, gute Seite hat!“
18:00 Uhr l d.a.i.
Protagonistin Mina Ahadi anwesend
My Name is Happy
Von Ayse Toprak & Nick Read
Türkei/UK, 2022, 82 Min.,
Dokumentarfilm, OmeU
Die begnadete kurdische Popsängerin Mutlu aus dem Süden der Türkei war beim Erreichen des Finales einer populären Talent-Show auf dem Weg zur Berühmtheit. Tage später wird sie bei einem Entführungsversuch angeschossen. Die 19-Jährige überlebt nur knapp das Attentat, das ihr Leben unerbittlich verändert. Extrem beeinträchtigt durch die Kugel, die in ihrem Kopf steckt, kämpft sie sich zurück ins Leben, unterstützt von ihrer sie liebevoll umsorgenden Familie. Alle begleiten sie wieder und wieder in den Gerichtssaal, wo ihr Täter zur Rechenschaft gezogen werden soll; ihre Brüder tun alles für ihren sehnlichsten Wunsch: wieder singen zu können!
Dann jedoch bricht Mutlus Welt erneut zusammen, als ihre Lieblings-Schwester einem Femizid zum Opfer fällt. Mutlu fällt in eine tiefes emotionales Loch, sie findet nur langsam heraus. Sie weiß, sie muss wieder in Kontakt mit der Welt kommen und ruft eine tägliche Tik-Tok-Sendung ins Leben, in der sie bald mit 3 Millionen Menschen aus allen Kontinenten ihre persönlichen Geschichten austauscht. Dieses Netzwerk der Unterstützung lässt sie wissen, das sie nicht alleine ist. Und dann eröffnet sich Mutlu die Chance, ihre Stimme wieder zu finden...
5 Internationale Filmpreise
20:30 Uhr l d.a.i.
Sonntag 3.3.2024
Draw for Change – rebellische Karikaturistinnen in Ägypten und Mexiko
Draw me Egypt: Doaa El-Adl, A stroke of freedom
von Nada Riyadh
Ägypten / B / F / D / Lux / NL / US 2023, 52 Min., Dokumentarfilm,
OmeU
Doaa el-Adl ist preisgekrönte Karikaturistin, eine der prominentesten der arabischen Welt. Ihre Cartoons sind unverblümte Anklagen gegen patriarchale Gewaltstrukturen, inklusive ihrem skandalumwitterten Cartoon zur Genitalverstümmelung. Sie kämpft für die Daseinsberech-tigung und Meinungsfreiheit der ägyptischen Frauen im öffentlichen Raum. Dafür erntet sie tagtäglich Kritik, Zensur, Einschüchterung und Todesdrohungen. Regisseurin Riyadh haucht ihren berühmt-berüchtigten Werken Leben ein in einem spannungsgeladenen Mix aus Dokumentation, Cartoon und Animation.
Somos fuego – We are fire
von Karen Vázquez Guadarrama
Mexiko / B / F / D / Lux / NL / US 2023, 52 Min., Dokumentarfilm,
OmeU
In Mexiko grassiert Gewalt gegen Frauen: Morde, Verletzungen, Belästigungen. Mit 13 Feminiziden täglich ist Mexiko für Frauen einer der gefährlichsten Orte der Welt. Der Staat bleibt zumeist passiv und verhängt kaum Strafen. Zusammen mit anderen AktivistInnen konfrontiert Karikaturistin Maremoto den allgegenwärtigen Machismo, das Machtdenken der Männer – mit Ihren Karikaturen, in Demonstrationen und durch Selbstverteidigung. Ihre Grafiken sind Fanale der Wut und ermutigen Betroffene, ihren Schmerz zu teilen. „Sie wollten uns begraben und wussten nicht, dass wir Samen sind.“
2 Internationale Filmpreise
15:00 Uhr l d.a.i. Doppelprogramm
Gretas Geburt
von Katja Baumgarten
Deutschland, 2023, 96 Min., Dokumentarfilm, OmeU
Die kleine Greta kommt leblos zur Welt und stirbt trotz intensiver Bemühungen ihrer Geburtshelferin und eines Notfallmediziners. Nicht nur für die Eltern ist seitdem nichts wie zuvor. Vier Jahre später landet die erfahrene Hebamme und Ärztin Anna vor Gericht auf der Anklagebank. Der Vorwurf: Totschlag. Es beginnt ein tendenziöses Verfahren, dessen Urteil freie Hebammen in die Schranken weist; für die Beschuldigte ein Alptraum, eingefangen in der erschütternden Erzählung einer engagierten Filmemacherin, selbst Hebamme.
1 Internationaler
Filmpreis
17:00 Uhr l d.a.i. l Film und Gesprächsrunde
Regisseurin anwesend
Geburtshaus und Hausgeburtshilfe – Quo Vadis?
Nach dem intensiven Fokus zu „Menschenrecht Gewaltfreie Geburt – ein Plädoyer für die Hebammenkunst“ bei den FrauenWelten 2011 ist es Zeit für eine erneute Bestandsaufnahme: Haben die Proteste der letzten Jahre gefruchtet, gab es Verbesserungen in der außer-klinischen Geburtshilfe und für die Hebammen? Oder herrscht weiterhin oder noch mehr das Prekariat? Haben Frauen reale Wahlmöglichkeiten für eine Geburt außerhalb der Krankenhäuser, und wie sehen diese aus?
19:00 Uhr l d.a.i. l Gesprächsrunde mit Katja
Baumgarten und Tübinger Hebammen
Koromousso
von Habibata Ouarme, Jim Donovan
Kanada / Burkina Faso / Elfenbeinküste, 2023, 76 Min., Dokumentarfilm,
OmeU
Drei kanadisch-afrikanische Frauen erkunden offenherzig, unerschrocken und mit Humor die Auswirkungen weiblicher Genitalverstümmelung. Die Aktivistinnen Habibata und Zainabou sind beide Überlebende der Beschneidung und haben die Rekonstruktions-OP hinter sich. Nun unterstützen sie ihre Freundin Safieta auf dem Weg zu dieser OP – ihr sehnlichster Wunsch, seit sie davon erfuhr. Doch Habibata warnt: vor dem chirurgischen Eingriff sollte sie unbedingt ihr psychisches Trauma bearbeiten, sonst droht Retraumatisierung. Sie selbst brauchte dafür ein ganzes Jahr.
Entschlossen, die Kontrolle über ihre Körper zurückzugewinnen, fordern die resilienten Frauen auch vehement vom Staat den Zugang für betroffene Frauen zur Rekonstruktions-OP. Denn diese ist in Kanada praktisch inexistent, und Habibata muss ihre Freundin zur OP nach Burkina Faso begleiten. Ein individueller und kollektiver Heilungsprozess beginnt – sie überwinden lang gehegte Gefühle von Scham und Einsamkeit, diskutieren auf ihrer intimen Entdeckungsreise weibliche Lust, die komplexe weibliche Anatomie, und stellen sämtliche kulturellen Tabus rund um Sexualität infrage, oft mit brilliantem Sinn für schwarzen Humor und Satire!
20:30 Uhr l d.a.i.
In Kooperation mit