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Samstag, Dr. Michael Blume + Sektempfang

Gast und Gesprächspartner für den ersten Film des Abends, MEDIHA, war Dr. Michael Blume, der damalige Leiter des Sonderkontingents von besonders schutzbedürftigen 1000 Jesidinnen und ihren Kindern, die 2014/15 in Baden Württemberg aufgenommen wurden. Irene Jung erklärte den dramatischen Grund, warum die zweite Gesprächspartnerin des Abends, die Jesidin Badiah Jazzaa, die ein ähnliches Schicksal wie Mediha erlitten hatte, nicht anwesend sein konnte, und wie sehr das zeige, wie aktuell und ungelöst die Situation der vom IS versklavten Jesidinnen immer noch sei: vor wenigen Tagen wurden ihre Eltern und Brüder identifiziert als Teil eines Massengrabes, das früher schon entdeckt worden war in ihrer Heimatgemeinde Kocho, und sie sich gleich aufgemacht hatte in den Irak, weil vergangene Woche die Beerdigung ihrer Familie und weiterer Dorfbewohner stattfinden sollte, die alle beim Überfall des IS auf Kocho, bei dem die jungen Frauen verschleppt wurden, ermordet worden waren. Dr. Blume führte aus, wie das Projekt des Sonderkontingents ad hoc entstanden war, als die schweren Vergehen, die sexuelle Versklavung der jesidischen Frauen durch den Daesch (IS) von jesidischen Gemeinden in Baden-Württemberg bekannt gemacht wurden.

Unter Beteiligung eines hiesigen jesidischen Psychotherapeuten wurden diejenigen Frauen ausgesucht und aufgenommen, die besonders schwere Traumata erlitten hatten, oder eine fast ausweglose Situation in ihrem Land hatten. Dabei handelte es sich oft um Frauen, die nach Vergewaltigungen durch Kämpfer des Daesch Kinder geboren hatten, und nach irakischem Recht nicht sie die Vormundschaft über das Kind hätten, sondern grundsätzlich die Väter, also die Vergewaltiger. So konnten sie das legale Sorgerecht nur erhalten, nachdem Dr. Blume die Vormundschft für all diese Kindern übernahm, die Kinder so überhaupt erst aus dem Land reisen durften, und die Frauen, sobald sie baden-württembergischen Boden betraten, dieses Sorgerecht wieder bekommen konnten. Dass jedoch das Schutzprojekt viel mehr anstrebte, nämlich auch die Verbesserung der Situation der vielen Frauen und Kinder, die im Irak geblieben waren: durch Einrichtung eines traumatherapeutischen Studienganges im Irak, mit Unterstützung des Uniklinikums Tübingen, aber auch weiterhin mit konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse, wie z.B. eine Müllverbrennungsanlage für die Flüchtlingslager. Er legte auch Wert darauf, wie wichtig es sei, dass das Thema der schutzbedürftigen Jesidinnen nicht aus der öffentlichen Aufmerksamkeit verschwände, aber dass jede und jeder mit umweltbewusstem Verhalten dazu beitragen könne, die Ursache für so viele kriegerischen Konflikte auf der Welt zu bekämpfen: der massenhafte Konsum von Rohstoffen wie Öl und Gas, deren Förderung und Vermarktung immer eine Spirale der Gewalt gegen Minderheiten auslösen würde.

Beim Sektempfang zu Ehren des Gastes wurde zugleich darauf angestoßen, dass die Protagonistin und Regisseurin des nächsten Filmes, BLACK BOX DIARIES, Shiori Ito, die als Motiv unseres Plakates diente, am folgenden Abend den Oscar gewinnen solle, für den sie bei den Dokumentarfilmen nominiert wurde. Auch die japanischen Unterstützerinnen des Filmfestes freuten sich mit dem Team für die Anerkennung der Geschichte dieser japanischen Ikone der #Me Too-Bewegung, und wünschten Shiori alles Glück, zusammen mit den ZuschauerInnen des Abendfilmes, die ihre Grüße nach Hollywood sandten. Somit waren sie eingestimmt auf die Einführung von Käte in den extrem spannenden Film, der Shiori über 6 Jahre lang begleitete in der Aufarbeitung ihres Falles, bei dem sie das Unvorstellbare, das Unwahrscheinliche wagte: den Biografen und Vertrauten des mächtigen Premierministers Shinzo Abe für ihre erlittene Vergewaltigung vor Gericht zu bringen – und am Ende gewann, sogar vor dem Obersten Gerichtshof Japans!

Shiori Ito bedankte sich später für die guten Wünsche aus Tübingen:
"Dear Irene, Thank you so much for your warm wishes and support. I’m deeply touched by the audience at the Women’s Film Days in Tuebingen and the kind thoughts from the Japanese supporters. Please pass along my gratitude to everyone. I’m honored that Black Box Diaries is resonating with so many, and I’m truly grateful for the chance to share this story. This journey and the support along the way mean everything to me. Warm regards, Shiori“


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